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Die politische Weltanschauung Papst Innocenz' III.

 

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung


2. Die Entwicklung der kirchlichen politischen Theorie bis zum Ende des 12. Jahrhunderts


3. Das allgemeine politische Weltbild Innocenz' III.


4. Päpstliche Rechte im weltlichen Bereich


5. Das Kaisertum als Sonderfall weltlicher Gewalt


6. Innocenz III. - Hierokrat und Dualist


Literaturverzeichnis



1. Einleitung

Das Pontifikat Innocenz' III. (1198 - 1216) ist insbesondere deshalb interessant, weil in dieser Zeit nach allgemeiner Auffassung das Papsttum den Höhepunkt seiner Macht erreichte. So hat dieser Papst die sogenannten "Rekuperationen", d.h. die Zurückgewinnung ehemals oder auch nur angeblich päpstlicher Gebiete in Mittelitalien, die schon unter seinem Vorgänger Coelestin III. begonnen worden waren, energisch fortgesetzt und die Größe des Kirchenstaates mehr als verdoppelt; ebenso wurden unter seiner Herrschaft die Königreiche Sizilien und England zu Lehen des apostolischen Stuhls. Aufgrund dieser und anderer Erfolge in der Ausweitung der päpstlichen Macht kam die moderne Forschung zu der Auffassung, die zwei Jahrzehnte unter Innocenz III. seien der "Höhepunkt der kirchlichen Entwicklung des Abendlands".

Innocenz war auch auf päpstlicher Seite der Protagonist im deutschen Thronstreit, der während seines gesamten Pontifikats die päpstlich-deutschen und päpstlich-kaiserlichen Beziehungen bestimmte, der ebenfalls große Auswirkungen auf die übrigen europäischen Länder, vor allem auf England und Frankreich, hatte und in dem das Papsttum aufgrund seiner besonderen Verbindung mit dem römischen Kaisertum eine entscheidende Rolle spielte.

Unter den modernen Historikern herrscht eine kontroverse Diskussion, wie Innocenz' Auffassung vom Verhältnis zwischen der geistlichen und weltlichen Gewalt aussah und wie diese zu bewerten ist. Die eine Seite sieht ihn als einen typischen Vertreter der "hierokratischen" Lehre, nach der das Kaisertum völlig vom Papst abhängig und der Papst der "verus imperator" sei, die andere Seite ihn als einen ebenso typischen Vertreter der "dualistischen" Lehre von der Unabhängigkeit des Kaisertums. Dies sind auch die beiden Standpunkte, zwischen denen sich in Innocenz' Zeit die Theologen und Kirchenrechtler mit ihren Auffassungen bewegten und auf die zunächst kurz eingegangen werden muß, um die Weltanschauung des Papstes verständlich zu machen und in ihren Kontext einzuordnen. Daran anschließend soll in dieser Arbeit versucht werden, Innocenz' Standpunkt in dieser Frage herauszuarbeiten, d.h. sein Bild von der Welt als Christianitas, von weltlicher Gewalt, von Königtum und Kaisertum, und von päpstlichen Rechten diesen gegenüber.


2. Die Entwicklung der kirchlichen politischen Theorie bis zum Ende des 12. Jahrhunderts

Von karolingischer und ottonischer Zeit bis etwa in das 11. Jahrhundert ging man von der christlichen Welt als einer allumfassenden ecclesia universalis aus. Darunter wurde eine "Art Gottesreich" verstanden, in dem geistliche und weltliche Gewalt nur unscharf getrennt waren und in dem auch die weltliche Herrschaft in erster Linie als Funktionsträger der übergeordneten ecclesia universalis galt. Die Kirche war allerdings noch gar nicht in der Lage, im Abendland ohne den Schutz der weltlichen Herrscher weiterzubestehen, und von diesen daher in hohem Maße abhängig. Die eigentliche Macht, bis weit in die geistliche Sphäre hinreichend, lag bei der Feudalaristokratie mit dem Kaiser an der Spitze, der auch das Recht hatte, kirchliche Würdenträger ein- und abzusetzen und ebenso bei der Papstwahl über entscheidenden Einfluß verfügte.

Die im 11. Jahrhundert immer deutlicher werdenden Emanzipationsbestrebungen der Kirche vom Einfluß der weltlichen Herrscher zeigten sich besonders in der Frage der Laieninvestitur, d.h. in der Frage, ob Laien wie bisher berechtigt waren, die Entscheidung über die Besetzung kirchlicher Ämter zu treffen. Das erste Laterankonzil im Jahre 1059 unter Papst Nikolaus II. legte dann fest, daß die Papstwahl nur noch durch Kardinäle zu erfolgen hatte und daß Kleriker kein kirchliches Beneficium von Laien empfangen durften. Damit war der direkte Einfluß von Laien, auch und vor allem des Kaisers, auf die Kirche beseitigt. Unter Gregor VII. (1073 - 1085) wurden diese Reformbestrebungen fortgesetzt, was schließlich zum Investiturstreit und damit zur ersten großen Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum als den obersten Repräsentanten der geistlichen und weltlichen Gewalt führte.

Die stärkere Absetzung der Kirche vom weltlichen Bereich, also die Trennung von geistlicher und weltlicher Sphäre, verbunden mit der fortschreitenden Institutionalisierung der Kirche, führte auch zu einer Säkularisierung der staatlichen Macht. Der damit hinfällig gewordene Begriff der ecclesia universalis wurde seit Gregor VII. ersetzt durch den der christianitas. Auch darunter verstand man noch die gesamte christliche Welt - die "Christenheit" -, doch nun waren die einzelnen Bereiche deutlicher abgegrenzt und definiert, wobei man die grundsätzliche Eigenständigkeit der weltlichen Gewalt akzeptierte. Dieser Dualismus zwischen regnum und sacerdotium wurde aber auf einer anderen Ebene überwunden, weil die christianitas in erster Linie auf der geistigreligiösen Grundlage des Christentums beruhte und dabei als "das höchste Kollektiv in der Ordnung des Diesseits mit einer eminent geistlichen Zielsetzung" galt. Damit allerdings lag ihre Leitung bei der Kirche, der geistlichen Führungsinstanz, und letzten Endes beim Papst. Wie für Innocenz gezeigt werden soll, konnten die Päpste aufgrund dieser Konstruktion für sich, als das geistliche Oberhaupt aller Christen, in der Hierarchie eine Stellung über dem Kaiser und weitgehende Rechte auch im weltlichen Bereich beanspruchen.

Die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum zeigte sich seit der schärferen Trennung dieser Gewalten auch im Bereich der politischen Theorie, wo sie besonders deutlich wurde am Problem der sogenannten Zwei-Schwerter-Lehre. Zwei im Lukasevangelium erwähnte Schwerter (Luk. 22,38) wurden im 11. Jahrhundert erstmals als Symbole von regnum und sacerdotium, bzw. allgemein von weltlicher und geistlicher Gewalt, betrachtet. Die eigentliche Streitfrage war dabei die Legitimation der weltlichen Gewalt. Wurde sie direkt von Gott verliehen und war damit unabhängig von der Kirche, oder wurde sie vom Papst als dem eigentlichen Inhaber nur an die weltlichen Herrscher delegiert und im Auftrag der Kirche ausgeführt?

Die Auffassung, daß alle weltliche Gewalt von der Kirche abhinge, vertraten u.a. die Spiritualisten Honorius Augustodunensis, Johann von Salisbury und - als deren berühmtester Vertreter - Bernhard von Clairvaux, der erklärte, das geistliche wie das weltliche Schwert sei im Besitz der Kirche. Nur das geistliche aber werde von ihr selbst, vom Priester, geführt, das andere führe die weltliche Gewalt für die Kirche. Auf der anderen Seite vertrat vor allem Huguccio von Pisa, Kirchenrechtler in Bologna und dort Lehrer Innocenz' III., die Meinung, die weltliche Gewalt und der Kaiser als ihr höchster Vertreter seien unabhängig von der geistlichen Gewalt. Keine der Gewalten beruhe auf der anderen, aber trotzdem sei der Kaiser in vielen Dingen vom Papst abhängig. Diese Abhängigkeit zeigte sich nach Huguccio insbesondere darin, daß der Papst den Kaiser im Falle einer schweren Sünde absetzen konnte. Dies war also die Bandbreite, innerhalb derer sich die kirchliche politische Theorie in dieser Zeit bewegte, reichend von der Betonung der weitgehenden Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt bis hin zum Anspruch auf absolute päpstliche Oberherrschaft. Die Frage ist nun, welche Auffassung Innocenz in dieser Sache vertrat.


3. Das allgemeine politische Weltbild Innocenz' III.

Der zentrale Punkt in Innocenz' Weltanschauung ist die schon erläuterte Christianitas-Idee, die Idee von der Christenheit als übergreifendem Zusammenschluß aller Völker des Abendlandes. Christus, Grundlage und Gründer der Kirche, habe sedem apostolicam totius Christianitatis caput instituit et magistram, er habe also das Papsttum als Haupt der gesamten Christenheit eingesetzt, um deren Einigkeit zu gewährleisten. Diese Führungsrolle war zunächst einmal im geistlichen Sinne zu verstehen, beinhaltete dadurch aber auch die Stellung des Papstes über den weltlichen Herrschern. Damit konnte die Christianitas-Idee als Basis für den Anspruch auf weltliche, darüber hinausreichende Macht dienen: "Dualistisch ist sie insofern, als sie nur auf der geistlichen Unterwerfung unter das Haupt der Kirche beruht und somit der weltlichen Gewalt ihre prinzipielle Unabhängigkeit belässt. Zugleich aber ist sie auch monistisch ausgerichtet; denn sie erhebt den Papst zum alleinigen, über den Königen und über dem Kaiser thronenden Leiter."

Ein Anspruch auf die päpstliche Weltherrschaft und volle Verfügung über jegliche weltliche Gewalt, wie sie die extremen Hierokraten vertraten, war damit allerdings bei Innocenz nicht verbunden. Er hat im Gegenteil immer wieder die Unabhängigkeit der Königreiche betont, die wie beispielsweise Frankreich nicht im Lehnsverhältnis zum Papsttum standen. Sie erhielten, so meinte er, ihr Schwert und damit die Gewalt in weltlichen Dingen direkt von Gott. Diese grundsätzlich anerkannte Eigenständigkeit und Gottesunmittelbarkeit von sacerdotium und regnum bedeutete allerdings nicht, daß beide auch ohne Unterschied auf gleicher Stufe standen: dem sacerdotium wurde aufgrund seiner größeren Würde auch der Vorrang zugesprochen. Die Fürsten, so erklärte er im Thronstreit den Abgesandten der staufischen Partei, hätten nur Macht über die Körper, die Priester dagegen auch über die Seelen. Ebenso wie die Seele würdiger sei als der Körper, besitze auch das Sacerdotium, das im übrigen auch älter sei, eine größere Würde als das Regnum.

In entsprechender Weise verwendete er das Gleichnis von Sonne und Mond, das aus der Zeit von Gregor V. stammt, aber erst später mit politischer Bedeutung wie bei Innocenz belegt wurde: ebenso wie Gott am Himmel eine größere Leuchte für den Tag und eine kleinere Leuchte für die Nacht geschaffen habe, habe er in der Christenheit zwei große Ämter eingesetzt: ein größeres, das entsprechend der Sonne den Seelen vorzustehen habe, und ein kleineres, das analog zum Mond den Körpern vorgesetzt sei - die päpstliche und die königliche Gewalt. Und ebenso wie der Mond der Sonne gegenüber geringer sei an Größe wie Wert und sein Licht erst von der Sonne erhalte, so erhalte auch die königliche Gewalt "den Glanz ihrer Würde" erst von der päpstlichen Autorität;20 die königliche Würde werde folglich größer, je mehr sie auf die Kirche blicke und sich nach ihr richte.

So weit also bewegte sich Innocenz' Weltanschauung noch im dualistischen Rahmen: innerhalb der Christenheit existierten sacerdotium und regnum prinzipiell unabhängig voneinander, wobei der geistlichen Gewalt vor allem aufgrund ihrer größeren Würde der Vorrang gebührte. Wie schon angedeutet, hat er aber aus der Christianitas-Idee päpstliche Rechte in weltlichen Dingen abgeleitet, die zusammengenommen zwar keine päpstliche Weltherrschaft, aber doch eine sehr weitgehende Macht auch in der weltlichen Sphäre sicherten.

Aus der Gehorsamspflicht aller Christen gegenüber ihren Führern in Glaubensdingen ergab sich die noch relativ unverbindliche Folgerung, die weltlichen Herrscher seien - mindestens moralisch dazu verpflichtet, das Papsttum in dessen Belangen zu unterstützen: der Herr habe zum Schutz der Kirche die päpstliche und die königliche Gewalt eingesetzt - die eine, um die Gläubigen zu hegen, die andere, um die Gegner zu bekämpfen. Wen die kirchliche Ordnung nicht zur Umkehr vom Bösen bewege, müsse der weltliche Arm bestrafen.

Um seine eigene Stellung zu charakterisieren, erwähnte Innocenz häufig den alttestamentarischen Priesterkönig Melchisedech. Dieser rex et sacerdos war im frühen Mittelalter in erster Linie als Vorbild der weltlichen Herrscher betrachtet worden, galt seit der gregorianischen Reform aber zunehmend als Präfiguration Christi, der König der Könige, Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech sei - rex regum et dominus dominantium, sacerdos in eternum secundum ordinem Melchisedech. So wie Innocenz sich als vicarius Christi - Stellvertreter Christi - verstand, so betrachtete er auch diesen Priesterkönig als Vorbild und Beispiel für die päpstliche Machtausdehnung. In diesem Zusammenhang sprach er dem Papsttum allerdings neben der - unbestrittenen - "höchsten" Gewalt im geistlichen Bereich "nur" eine "große" Macht im Weltlichen zu, nicht aber die päpstliche Oberherrschaft in dieser Sphäre.

In ähnlicher Weise berief sich Innocenz auf die dem Apostel Petrus übertragene umfassende Gewalt, die nach seiner Auffassung jetzt die Päpste innehatten: einzelne Adlige besäßen einzelne Provinzen, einzelne Könige hätten einzelne Königreiche unter sich; weil Petrus aber der Stellvertreter Christi sei, dem die Erde und alle ihre Bewohner gehörten, stünde er sicut plenitudine, sic et latitudine - in der Fülle wie in der Weite seiner Macht - allen Menschen vor. Der Unterschied zwischen plenitudo und latitudo ergibt sich aus einer Predigt zum Jahrestag von Innocenz' Konsekration: seine Braut, die katholische Kirche, habe ihm als Mitgift spiritualium (...) plenitudinem et latitudinem temporalium, die Fülle der geistlichen und die Weite der weltlichen Gewalt, übergeben. Die Vollgewalt des Apostolischen Stuhles bezog sich demnach in erster Linie auf die Rolle des Papstes als geistliches Oberhaupt der christianitas, beruhend auf der umfassenden Macht Petri. Aus dem Charakter dieser Macht ergaben sich dann bestimmte, noch zu erläuternde Befugnisse in der weltlichen Sphäre; weil diese aber nicht so umfassend waren wie die spirituelle Vollgewalt, wurde sie nur als weitreichende, nicht aber als umfassende Gewalt bezeichnet.


4. Päpstliche Rechte im weltlichen Bereich

Was umfaßte nun also die magna potestas in temporalibus, die latitudo temporalium? Einen Hinweis auf einen Teilbereich dieser Macht gibt Innocenz' Silvesterpredigt, in der nach einem erneuten Hinweis auf Melchisedech auch auf die sogenannte Konstantinische Schenkung Bezug genommen wird: Kaiser Konstantin habe Papst Silvester die Stadt Rom mit sämtlichen Ämtern und Menschen sowie omne regnum Occidentis übergeben und für sich selbst nur Byzanz, das östliche Kaiserreich, zurückbehalten. Und Silvester habe aus seiner päpstlichen Autorität Patriarchen, Primaten, Metropoliten und Bischöfe, aus seiner königlichen Macht Senatoren, Präfekten, Judices und Tabellionen eingesetzt. Zum Zeichen der Königsherrschaft trage der Pontifex die Königskrone, zum Zeichen des Papsttums die Mitra. Letztere trage er jedoch immer und überall, die erster weder überall noch immer, weil die päpstliche Autorität älter, würdiger und ausgedehnter sei als die königliche Macht. Daraus ergibt sich, daß trotz der Formulierung "das gesamte westliche Königreich" diese königliche Gewalt des Papsttums nicht die oberste Herrschaft über das römische Imperium beinhaltete. Sonst hätte Innocenz nicht erklärt, die päpstliche Gewalt sei ausgedehnter als die königliche, und er hätte die von Papst Silvester ausgeübten königlichen Befugnisse nicht auf die Besetzung stadtrömischer oder kirchenstaatlicher Ämter beschränkt.

Sicher ist, daß mit der königlichen Würde des Papsttums die Herrschaft über den Kirchenstaat gemeint war, jenes Gebiet, das unumschränkt neben der geistlichen auch unter der weltlichen Gewalt des Apostolischen Stuhles stand und das als die Basis seiner geistlichen Herrschaft über die Christenheit angesehen wurde. Als wahrscheinlich erscheint aber auch, daß die Königreiche, die unter der Lehnsherrschaft des Papsttums standen, zur magna potestas in temporalibus zählten.

Für beide Teilbereiche gilt, daß sich die päpstliche Macht unter Innocenz ausweitete und er dagegen auch nichts einzuwenden hatte: durch die von ihm intensiv betriebenen Rekuperationen erreichte der Kirchenstaat rund das Doppelte seiner bisherigen Größe. Das Angebot König Johanns von England, ihn zum obersten Lehnsherrn Englands zu machen, nahm Innocenz an mit der Bemerkung, Johann habe gut daran getan, sich demjenigen auch in weltlicher Hinsicht zu unterstellen, dem er in geistlicher ja ohnehin untertan sei.

Innocenz hat mehrmals in Entscheidungen zu juristischen Streitfragen verdeutlicht, daß er auch auf rechtlichem Gebiet Interventionsmöglichkeiten für das Papsttum beanspruchte. Jeweils auf Einzelfragen bezogen, hatten diese Entscheidungen doch so grundsätzliche Bedeutung, daß Innocenz sie zu Dekretalen, d.h. zu allgemein verbindlichen Rechtssätzen, erhob und 1210 zu den Bologneser Juristen schickte, damit diese sie kommentierten und als Grundlage für ihre Lehrtätigkeit nutzten.

In der Dekretale "Per venerabilem" von 1202 lehnte Innocenz die Bitte des Grafen Wilhelm von Montpellier, er möge dessen uneheliche Kinder legitimieren, ab. Der Graf hatte sich darauf berufen, der Papst habe auch die Kinder des Königs von Frankreich legitimiert; Innocenz erklärte, er habe die Kinder des französischen Königs legitimieren können, weil der keinen weltlichen Oberen über sich anerkenne, der Graf dagegen müsse sich an den König wenden.

Grundsätzlich, so Innocenz, könne der Papst abgesehen vom Patrimonium Petri, in dem er die höchste weltliche Macht innehabe, auch in anderen Gebieten casualiter und certis causis inspectis, gelegentlich und unter bestimmten Bedingungen, weltliche Jurisdiktionsgewalt ausüben. Was also sind die Bedingungen, die erforderlich sind, damit der Papst in weltliche Rechtsstreitigkeiten eingreifen darf? Zum einen kann ein Fall, sei er weltlicher, kirchlicher oder gemischter Natur, an den Apostolischen Stuhl verwiesen werden, wenn er "schwierig oder zweideutig" ist, wenn er also nicht anders lösbar erscheint. Zum anderen darf der Papst nur als weltlicher Richter auftreten, wenn dies geschieht "ohne die Verletzung der Rechte eines anderen", d.h. wenn kein regulärer weltlicher Richter in diesem Fall zuständig ist. Mehrere Formulierungen deuten außerdem darauf hin, daß Innocenz zusätzlich die Freiwilligkeit der Anrufung voraussetzte, womit die Reichweite dieser Jurisdiktionsgewalt sehr stark eingeschränkt wurde.

Grundlage dieser päpstlichen Rechte war die Christianitas-Idee und damit die geistliche Gewalt des Papstes: an ihn als Haupt der gesamten Christenheit konnte appelliert werden, wenn die weltliche Gerichtsbarkeit aus irgendeinem Grunde versagte. Damit wurden die regulären Rechte der weltlichen Herrscher auf juristischem Gebiet also nicht verdrängt oder eingeschränkt, sondern ergänzt. Die Macht, die der Papst auf diese Weise gewann, war ohnehin sehr gering, weil diese Gerichtsbarkeit nur in dem in der Dekretale genau formulierten und abgegrenzten Rahmen in Kraft treten konnte.

Im Jahre 1204 appellierte König Johann von England wegen einer militärisch ausgetragenen Lehnsstreitigkeit mit dem französischen König Philipp II. August an den Papst. Auf den Protest Philipps, Innocenz sei in dieser Sache nicht zuständig, weil es sich um eine rein weltliche Angelegenheit handele, antwortete dieser mit der Dekretale "Novit". Innocenz wolle nicht über die Lehnsstreitigkeit urteilen, was dem König selbst zustände, sondern über die Sünde (decernere de peccato), weil es dem Apostolischen Stuhl zweifellos zustehe, Todsünden jeder Art anzuklagen und mit den kirchlichen Zuchtmitteln zu bestrafen.

Ein direkter Eingriff Innocenz' in die Auseinandersetzung hätte einen Verstoß gegen die von ihm respektierte staatliche Selbständigkeit bedeutet, wie er auch selbst betont. Den gleichen Effekt erreichte er aber, indem der Krieg zwischen England und Frankreich als eine Verletzung des beschworenen Friedens und damit als Todsünde betrachtet wurde. Die Befugnis, in dieser Angelegenheit zu urteilen, leitete er aus der kirchlichen Zwangsgewalt Sündern gegenüber und dementsprechend aus den Rechten ab, die dem Papsttum von Gott verliehen seien; er blieb damit also innerhalb der päpstlichen geistlichen Zuständigkeit. Auch die Strafen, die der Papst ratione peccati aussprechen konnte, hielten sich im Rahmen der kirchlichen Zwangsgewalt, wie z.B. Exkommunikation und Interdikt. Damit allerdings waren teilweise tiefgreifende Einschnitte für die Bestraften im weltlichen Bereich verbunden, weil sie auch dort einen Teil ihrer Rechte verloren.

Anders als bei der Dekretale "Per venerabilem" ist die hier beanspruchte Zuständigkeit in Rechtsfragen jedoch so weit gefaßt, daß der Papst sich auf diese Weise sehr weitgehende Einflußmöglichkeiten offenhielt, oder, wie Tillmann es formuliert, "unübersehbare Möglichkeiten des Eingreifens in das Leben der Staaten", denn sämtliche weltlichen Gerichtssachen hatten mit Sünde zu tun und gingen den Papst auf diese Weise indirekt etwas an. Diese päpstliche Jurisdiktionsgewalt galt ausnahmslos für alle Christen und damit auch für Kaiser und Könige. Ohne ihre Eigenständigkeit anzutasten, war der Papst daher berechtigt, über sie zu Gericht zu sitzen. Innocenz hat die Gerichtsbarkeit ratione peccati zwar nur in wenigen Fällen genutzt (als Todsünden wurden vor allem Eidbrüche und die Führung ungerechter Kriege betrachtet), trotzdem hat er auf diesem Wege mehrfach zugunsten Ottos von Braunschweig in den deutschen Thronstreit eingegriffen, d.h. also klar politische Ziele verfolgt. Selbst wenn Innocenz dieses Mittel selten eingesetzt und sich damit in der Praxis zurückhaltender gezeigt hat als in der Theorie, so geschah es doch, sobald entscheidende Interessen des Papsttums in irgendeiner Weise betroffen waren.


5. Das Kaisertum als Sonderfall weltlicher Gewalt

Seit Karl dem Großen waren es die fränkischen bzw. deutschen Könige, die ein alleiniges Anrecht auf den römischen Kaisertitel hatten. Theoretisch war der Kaiser weltliches Oberhaupt der gesamten Christenheit, ebenso wie der Papst ihr geistliches war. Tatsächlich beruhte seine Macht aber in erster Linie auf dem deutschen Königtum und reichte nicht darüber hinaus, weil die anderen Königreiche, insbesondere England und Frankreich, ihn nicht als obersten Herrscher anerkannten. Was das Amt des römischen Kaisers also von dem des deutschen Königs unterschied, war vor allem die größere Würde, die mit seinem Titel verbunden war, weniger die dadurch gewonnene größere Macht.

Zusätzlich hatte das Papsttum ein besonderes Interesse am deutschen König- bzw. römischen Kaiserreich, weil dieses den unmittelbaren Nachbarn des Kirchenstaats bildete und die Päpste eine Gefährdung von dieser Seite nach Möglichkeit vermeiden wollten. Das galt umsomehr, seit unter dem Staufer Heinrich VI. mit dem Königreich Sizilien auch Süditalien, das im Süden an das Patrimonium Petri angrenzte, in den Machtbereich des Kaisers geraten war.

Dazu kam, daß nach päpstlicher Ansicht das Kaisertum seit dem ersten christlichen Kaiser Konstantin in erster Linie die Aufgabe hatte, die Kirche zu verteidigen; der Kaiser wurde also vor allem als defensor ecclesie gesehen. Als das oströmische bzw. byzantinische Reich nicht mehr in der Lage war, diese Verteidigungsaufgaben zu erfüllen, habe das Papsttum, so die kirchliche Auffassung, die Kaiserwürde auf Karl den Großen, damit auf die Franken und später auf die Deutschen, übertragen. Während diese sogenannte Translation des Imperiums schon seit langem als historisch und authentisch galt, wurden politische Rechte für das Papsttum gegenüber dem Kaisertum daraus erst seit Gregor VII. abgeleitet. Kam der Kaiser seiner Pflicht zur Verteidigung der Kirche nicht nach, mußte das Papsttum nach dieser neuen Auffassung das Recht haben, entsprechende Konsequenzen zu ziehen, sei es durch Absetzung des Kaisers (wie von Gregor VII. gefolgert) oder durch eine erneute Translation des Imperiums auf ein anderes Volk.

Im Falle Innocenz' ist das Verhältnis zwischen Papsttum und Kaisertum bestimmt durch den deutschen Thronstreit, in den Innocenz sich eben aufgrund der besonderen Verbindung zwischen der höchsten geistlichen und der höchsten weltlichen Gewalt gezwungen und berechtigt sah, einzugreifen.

Als 1197 Kaiser Heinrich VI. unerwartet starb, war sein eigentlich zum Nachfolger bestimmter Sohn Friedrich Roger, der spätere Kaiser Friedrich II., erst zwei Jahre alt. Im darauffolgenden Jahr wählte darum ein Teil der Fürsten den Staufer Philipp von Schwaben zum neuen deutschen König, ein anderer Teil den Welfen Otto von Braunschweig. Beide wurden unabhängig voneinander gekrönt, beide verlangten daraufhin auch die Kaiserkrönung von Papst Innocenz. Die Staufer und damit auch Philipp von Schwaben waren schon dadurch diskreditiert, daß sie sich Teile des Kirchenstaats angeeignet hatten. Daneben wurde auch der Plan des letzten Kaisers, die Nachfolge grundsätzlich erblich zu regeln, als gefährlich betrachtet, weil auf diese Weise das Papsttum jegliche Einflußmöglichkeit auf die Besetzung verloren hätte; das Wahlprinzip war für das Papsttum also ein entscheidender Faktor bei der Besetzung der Kaiserwürde. Der Welfe Otto von Braunschweig dagegen hatte versprochen, die Rekuperationen, also die Rückgewinnung der verlorengegangenen Teile des Kirchenstaats, zu respektieren, und wurde daraufhin auch von Innocenz als deutscher König, in imperatorem Romanum electus, anerkannt. Als die Situation sich in den folgenden Jahren veränderte, unterstützte Innocenz zeitweise Philipp und nach dessen Tod erneut Otto. Dieser brach nach der Kaiserkrönung 1210 seine dem Papst gegebenen Versprechen, woraufhin Innocenz ihn exkommunizierte und sich dem inzwischen erwachsenen Staufer Friedrich zuwandte. Aus diesen "Frontwechseln" des Papstes ergibt sich auch, daß seine Entscheidungen im deutschen Thronstreit in erster Linie politischer Natur waren, bestimmt von den jeweiligen Notwendigkeiten vor allem im Zusammenhang mit den Rekuperationen.

Nachdem sowohl Philipp als auch Otto dem Papst ihre Wahl zum deutschen König bekanntgemacht hatten, wies Innocenz 1199 zunächst in einem Schreiben auf die Notwendigkeit der concordia inter regnum et sacerdotium hin, die aufgrund gegenseitiger Abhängigkeit ganz besonders für das römische Imperium gelte. Diese gegenseitige Abhängigkeit ergab sich für Innocenz zum einen daraus, daß die Kirche vom Kaisertum Unterstützung, genauer Verteidigung, erfahre, zum anderen daraus, daß auch der Heilige Stuhl das Imperium in suis necessitatibus, d.h. vor allem durch Kaiserweihe und -krönung, unterstütze. Die Fürsten hätten nun zwei deutsche Könige aufgestellt, ohne zu bedenken, welche Gefahren dies nicht nur für das Imperium, sondern auch für die gesamte Christenheit bedeute: Freiheit und Recht würden beeinträchtigt, Kirchen zerstört, es drohe Verwüstung und Gefahr für die Seelen. Sollten die Fürsten sich also nicht von selbst oder unter Anrufung des Papstes auf einen Kandidaten einigen können, sehe er sich gezwungen, von sich aus favorem apostolicum, seine apostolische Gunst, zugunsten des nach päpstlicher Auffassung würdigeren Kandidaten einzusetzen.

Als die Fürsten sich weiterhin nicht einigen konnten, verkündete Innocenz in einer geheimen Konsistorialansprache um die Jahreswende 1200/1201, der "Deliberatio de tribus electis", seine Entscheidung für den Welfen Otto von Braunschweig und betonte seine grundsätzliche Zuständigkeit in der Thronstreitfrage: das Imperium gehe das Papsttum principaliter und finaliter, nach Ursprung und Vollendung, etwas an - principaliter, weil es durch und für den Heiligen Stuhl, zum Zwecke der besseren Verteidigung, von den Griechen auf die Franken bzw. Deutschen übertragen worden sei, finaliter, weil der Kaiser vom Papst gekrönt und in das Imperium eingesetzt werde.

Innocenz leitete aus dem principaliter und finaliter das päpstliche Recht ab, den Kandidaten vor der Weihe auf seine Eignung zu prüfen, und kam in dieser Prüfung zu dem für Otto positiven und für Philipp und den zweijährigen Friedrich negativen Ergebnis. Nach dem heftigen Protest der staufischen Partei, Innocenz habe sich in das Wahlrecht der Fürsten eingemischt, legte der Papst in der Dekretale "Venerabilem" noch einmal den päpstlichen Rechtsstandpunkt fest.

Darin erkannte er das Recht der Fürsten elegendi regem, in imperatorem postmodum promovendum, an, nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, sie hätten das Recht der Kaiserwahl erst dadurch erhalten, daß das Papsttum die Translatio imperii vorgenommen habe, anders ausgedrückt, die ihnen zustehende Königswahl sei erst durch die Translation des Imperiums auch zur Kaiserwahl geworden. Die Erwähnung der Translatio Imperii in diesem Zusammenhang beinhaltete dabei eine versteckte Drohung: blieben die Fürsten weiterhin bei ihrer Haltung, konnte das Papsttum als letzte Maßnahme eine erneute Übertragung des Imperiums vornehmen. Als "Gegenleistung" für die Anerkennung des Wahlrechts verlangte er von ihnen, sie müßten ihrerseits anerkennen, daß es dem Papst zukomme, den Kandidaten vor der Weihe auf seine Würdigkeit zu prüfen - man könne schließlich nicht von ihm verlangen, jemanden zu diesem für die Kirche so wichtigen Amt zuzulassen, der ein Gottloser, Exkommunizierter, Tyrann, Narr, Ketzer oder Heide sei. Außerdem, so betonte Innocenz erneut, habe er bei einer Doppelwahl das Recht, einen der Kandidaten zu begünstigen, denn die Kirche solle nicht dadurch unter dem Streit der Fürsten leiden, daß ihr der benötigte Verteidiger fehle.

Selbst wenn sein Verhalten dem Kaisertum gegenüber in erster Linie durch den Thronstreit und den Versuch, darin möglichst vorteilhafte Regelungen für das Papsttum zu erreichen, bestimmt waren, bedeutet dies doch nicht, daß Innocenz im Falle einer normalen Königswahl auf die päpstlichen Rechte verzichtet hätte. Wenn die Fürsten - non solum in discordia, sed etiam in concordia einstimmig einen ungeeigneten Kandidaten wählten, könne der Papst diesen nicht weihen und krönen. Neben dem speziellen Recht als Schiedsrichter im Fall einer Zwiekur besaß der Papst nach Innocenz' Auffassung also in jedem Fall das Examinationsrecht.

Dieses Recht beruhte auf dem sakralen Vorgang der Kaiserweihe, die in seinen Zuständigkeitsbereich als geistliches Oberhaupt der christianitas fiel, und ähnelte der päpstlichen Jurisdiktionsgewalt ratione peccati bzw. wurde davon abgeleitet, denn ein aufgrund einer schweren Sünde bestrafter Kandidat für den Kaiserthron mußte abgelehnt werden. Faktisch blieb den Fürsten nicht viel mehr als das Vorschlagsrecht bei der Besetzung des kaiserlichen Amtes.
Die grundsätzlich anerkannte Unabhängigkeit der regna galt im Falle des deutschen Königreichs damit nicht mehr, weil ein abgelehnter Kandidat auch sein Recht auf den deutschen Königsthron verlor. Mit der Reprobation Philipps, ebenso wie später mit der Exkommunikation Ottos, war auch die Lösung der Treueide als die "wichtigste äußere Exkommunikationsfolge" demjenigen gegenüber verbunden, der "Gott und der Kirche die Treue nicht wahrt". Daß Innocenz diese Befugnis in erster Linie im deutschen Thronstreit gegenüber den beiden Hauptkontrahenten Philipp und Otto einsetzte, ist zunächst aus dem besonderen Interesse des Papsttums am deutschen Königtum zu erklären. Daß sich diese beanspruchte Befugnis aber nicht darauf beschränkte, zeigt sich darin, daß er das gleiche Mittel 1213 auch gegenüber König Johann von England angewendet hätte, wäre dieser dem nicht durch Einlenken zuvorgekommen.

Ohne also den Herrscher formal abzusetzen und auf diese Weise massiv in die weltliche Sphäre einzugreifen, bewirkte er durch die Lösung der Treueide in der Praxis fast das gleiche: "er setzte den Herrscher nicht ab, aber er entzog ihm eine wichtige Grundlage seines Königtums; die oppositionellen Kräfte, vom Treueid entbunden, konnten sich frei entfalten."


6. Innocenz III. - Hierokrat und Dualist

Bei der Analyse von Innocenz' Weltanschauung deuten verschiedene Elemente zunächst auf eine hierokratische Einstellung hin, so z.B. die Heranziehung der Konstantinischen Schenkung und des Priesterkönigs Melchisedech zur Definition der päpstlichen Stellung und Machtfülle, der Begriff der plenitudo potestatis oder das Gleichnis von Sonne und Mond. Manches davon, wie die Konstantinische Schenkung, ist in seiner Bedeutung bei den modernen Historikern noch heftig umstritten und nicht vollständig geklärt. Seine häufig unklaren Formulierungen trugen auch dazu bei, daß sie später von den Hierokraten zu ihren Zwecken ausgebeutet werden konnten; entsprechend verlor die dualistische Partei unter den Kanonisten Anfang des 13. Jahrhunderts, also etwa während und nach Innocenz' Pontifikat, einen großen Teil ihrer früheren Bedeutung.

Die konkreten, von Innocenz beanspruchten Rechte, insbesondere die Jurisdiktionsgewalt casualiter und ratione peccati sowie das Examinationsrecht, zeigen aber einen gewissen Doppelcharakter: formal beruhen sie alle auf seiner Grundidee der christianitas und auf der geistlichen Primatsgewalt des Papstes. Damit wird die Anerkennung der Unabhängigkeit der weltlichen Gewalt, der Dualismus zwischen regnum und sacerdotium, gewahrt. In der tatsächlichen Inanspruchnahme und Anwendung aber bedeuten sie sehr weitgehende Einflußmöglichkeiten des Papstes in der weltlichen Sphäre, reichend bis hin zur indirekten Absetzung von Königen und zur Entscheidung über die Besetzung des deutschen Königs- und römischen Kaiserthrons. "Innocenz ist also Dualist in dem Sinne, daß er 'regnum' und 'sacerdotium' nebeneinander bestehen läßt und keiner der beiden Sphären von vornherein das Recht zugesteht, die andere zu regieren. Er ist aber Hierokrat insofern, als er Kirche und weltliche Obrigkeit nur als die beiden von Gott gegebenen Verfassungsformen des einen 'populus Christianus' ansieht, den der 'vicarius Christi' zu leiten hat."

Im Unterschied zu Gregor VII., der mit seinen weitreichenden Forderungen der weltlichen Gewalt gegenüber letzten Endes erfolglos blieb, beschränkte Innocenz seine Ansprüche, wahrte den Dualismus zumindest formal und kam damit erheblich weiter als sein Vorgänger, weil der tatsächliche weltliche Machtbereich des Papsttums in dieser Zeit durch die Rekuperationen und die Lehnsherrschaft über die Königreiche Sizilien und England schon ein sehr weites Gebiet umfaßte. Offen muß die Frage bleiben, ob Innocenz auch privat so gedacht hat, oder ob er es nur für politisch klüger hielt, keine Maximalforderungen zu stellen.


Literaturverzeichnis


I.Quellen

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Kempf, Friedrich S.J. (Hrsg.): Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii (Miscellanea Historia Pontificae 12) [RNI], Rom 1947

Migne, Jacques-Paul (Hrsg.): Patrologiae cursus completus. Series latina [Migne PL], Paris 1844 - 1865


II. Darstellungen

Baar, Piet A. van den: Die kirchliche Lehre der Translatio Imperii Romani bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts (Analecta Gregoriana 78), Rom 1956

Buisson, Ludwig: Potestas und Caritas. Die päpstliche Gewalt im Spätmittelalter, Köln/Graz 1958

Burdach, Konrad: Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung Bd. II,1, Berlin 1913

Engels, Odilo: Die Staufer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 31984

Goez, Werner: Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Tübingen 1958

Hageneder, Othmar: Das päpstliche Recht der Fürstenabsetzung: Seine kanonistische Grundlegung (1150 - 1250), in: Archivum Historiae Pontificae 1 (1963), S. 53 - 95

ders.: Das Sonne-Mond-Gleichnis bei Innocenz III. Versuch einer teilweisen Neuinterpretation, in: MIÖG 65 (1957), S. 340 -  368

ders.: Exkommunikation und Thronfolgeverlust bei Innocenz III., in: Römische Historische Mitteilungen 2 (1957/58), S. 9 - 50

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